Offener Brief an den Einsatzleiter der Essener Polizei

[IG]

Liebe Freunde der Fan-IG,
liebe Alemanniafans,
liebe Mitglieder,

wir möchten euch hiermit darüber informieren, dass wir die folgende Mail als “offenen Brief” an den Leiter des Polizeieinsatzes bei unserem Auswärtsspiel in Essen übermittelt haben. Über eine mögliche Rückmeldung und den weiteren Verlauf werden wir euch natürlich in Kenntnis setzen.

Sehr geehrter Herr Polizeioberrat Netz,

mittlerweile sind etwas mehr als zwei Wochen seit dem Auswärtsspiel der Alemannia in Essen vergangen. Leider geriet der sportliche Aspekt der traditionsreichen Partie durch die Begleitumstände am Essener Bahnhof und später vor den Stadiontoren zur Nebensache.

Wir haben die verstrichene Zeit genutzt, um uns einerseits mit der Berichterstattung, den polizeilichen Stellungnahmen und auch mit vielen Augenzeugenberichten Aachener Fans zu befassen. Da zudem ein Mitglied unseres Vorstandes selbst mit dem Zug angereist ist, sind wir der Meinung, uns mittlerweile ein umfassendes Bild machen zu können. Daraus ist nun dieser offene Brief entstanden, mit dem wir uns an Sie als Einsatzleiter wenden.

i) Zunächst möchten wir Sie darauf aufmerksam machen, dass wir als Fan-IG durchaus dafür eintreten, Gewalttäter zu isolieren, so dass es diesen nicht mehr möglich ist, sich inmitten der friedlichen Fans zu verstecken. In Essen war jedoch durch die Umstände der Anreise und der Terminierung eine Distanzierung kaum möglich, so dass friedliche Fußballfans gemeinsam mit einigen wenigen Chaoten den Essener Bahnsteig betraten. In dieser Situation empfinden wir es als unverantwortlich, seitens der Polizei den Bahnsteig abzuriegeln und auf das daraufhin entstehende Gedränge unter anderem mit Pfefferspray zu reagieren.

ii) In den Medien war polizeiseitig diesbezüglich die Rede davon, dass man in einer solch engen Situation nicht zwischen friedlichen Fans und Chaoten unterscheiden könne, weshalb es unvermeidbar sei, dass Unschuldige in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir möchten Ihnen mitteilen, dass uns diese Sicht der Dinge sehr schockiert. Es muss immer höchste Priorität haben, die Unversehrtheit unschuldiger Menschen zu gewährleisten.

iii) Letztlich wurde die Entscheidung getroffen, alle per Zug angereisten Personen einzelner Kontrollen zu unterziehen. Von mehreren Fans wurden wir in dieser Sache darauf aufmerksam gemacht, dass, während nur wenige Beamte den langwierigen Kontrollprozess durchgeführt haben, sich mehrere Einsatzkräfte scheinbar tatenlos in einiger Entfernung aufgehalten haben. Dies wurde von den Fans als Schikane empfunden, da die Kontrolle weitaus schneller hätte durchgeführt werden können, und heizte die Situation folglich weiter an.

iv) Endlich am Stadion angekommen, herrschte verständlicherweise große Unruhe unter den deutlich verspätetet eintreffenden Fans. Die angespannte Situation eskalierte leider weiter und erreichte ihren Höhepunkt, als den Wartenden mitgeteilt wurde, man dürfe nun nicht mehr ins Stadion. Anscheinend soll dies auf Ansage des Stadioneigentümers geschehen sein. Dass hier nur unnötig weiteres Öl ins Feuer gegossen wurde, hat man dann offenbar selbst erkannt, als das Stadion dann doch betreten werden durfte - fraglich nur, wieso man auf Seiten der Polizei eine weitere Verschärfung dieser Art zumindest zunächst überhaupt mitgetragen hat.

v) Neben dem bereits zu Beginn genannten, schockierenden Statement bezüglich der ebenfalls betroffenen, friedlichen Fußballfans, erschreckt uns eine weitere Information jedoch besonders: Von diversen voneinander unabhängigen Augenzeugen wurde uns berichtet, dass den festgesetzten Personen mehrfach Wasser und der Gang zu sanitären Anlagen verweigert wurde, und dass auch die Erste Hilfe für durch Pfefferspray Betroffene unzureichend war.

vi) In Folge der zuvor genannten Umstände erscheint uns auch die Diskussion um eine Kennzeichnung der Beamten zwingend notwendig. Dabei geht es uns nicht um eine beispielsweise namentliche Kennzeichnung, die die Beamten in Gefahr bringen könnte, sondern z.B. eine anonyme einsatzbezogene Nummer, so dass Betroffene überhaupt eine Chance haben, bei unangemessener Behandlung reagieren zu können.

Im Zusammenhang mit den insgesamt in den letzten Tagen aufgetretenen Diskussionen über Polizeieinsätze bei Fußballspielen speziell im Ruhrgebiet wurde auch häufig berichtet, dass man seitens der Polizei gerne einen Dialog führen wolle, dies aber nicht möglich sei. In dieser Sache möchte ich Sie darauf aufmerksam machen, dass wir in Aachen längst einen Dialog zwischen Fans und Polizei begonnen haben und diesen weiter ausbauen wollen u.a. auch in Einbeziehung des Verbands. Dazu möchten wir uns ganz klar bei Ihren Aachener Kollegen für die konstruktive Zusammenarbeit bedanken. Einsätze wie der in Essen befeuern jedoch solche Bestrebungen und erschweren unsere Arbeit im gemeinsamen Interesse enorm - denn letztlich wollen ja auch Sie und Ihre Kollegen genau wie die vielen tausenden friedlichen Fußballfans nur einen tollen Fußballabend fernab jeglicher Aggression und Gewalt erleben.

Wir möchten Sie hiermit um eine Stellungnahme zu den einzelnen Punkten und der Freigabe zur Veröffentlichung bzw. Weitergabe an unsere Mitglieder bitten. Ferner stehen wir Ihnen bei Interesse auch sehr gerne für einen Dialog zur Verfügung, um den Einsatz und dessen Umstände aus beiden Positionen aufzuarbeiten, sowie an einer gemeinsamen Lösung zur Vermeidung weiterer Eskalationen zu arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
- für den Vorstand der Interessengemeinschaft der Alemannia Fans und Fan-Clubs -
André Bräkling

Außerdem möchten wir kurz darauf hinweisen, dass das IG-Treffen an diesem Donnerstag (12.9., 19 Uhr, Werner-Fuchs-Haus) auf jeden Fall stattfinden wird. Wir sind noch im Gespräch mit möglichen Gästen und werden euch zeitnah über das Programm des Abends informieren.

Mit schwarz-gelben Grüßen
Eure Fan-IG