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Alt 20.10.2021, 16:16
Franz Wirtz Franz Wirtz ist offline
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Zitat:
Zitat von tivolino Beitrag anzeigen
Ich interpretiere den Beitrag einfach mal als gut gemeinten Appell, im Abstiegskampf nun Ruhe zu bewahren, den Verantwortlichen weiterhin Vertrauen in ihre sicherlich bald reiche Früchte tragende Arbeit zu schenken, mit unerschütterlicher Geduld auf die unzweifelhaft notwendige Aufbesserung der sportlichen Bilanz zu warten und das, was du abwertend als "Panikmache" bezeichnest, doch bitte zu unterlassen. Herzlichen Dank für diesen weisen Ratschlag, vielleicht hast du ja sogar Recht. Vielleicht aber auch nicht. ...

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang jedenfalls immer an einen früheren Alemannia-Trainer, der auch in höchster Not stets die Ruhe in Person blieb, der seine Trainertätigkeit hier mit geradezu stoischer Gelassenheit ausübte und der mit wohlfeilen Worte immer wieder um Geduld und Vertrauen warb. Kein Grund zur Panik, das wird schon, ich krieg das hin...

Weil er gut reden konnte und eine hohe Reputation mitbrachte, wurde dem Mann damals von vielen Fans und der Vereinsführung tatsächlich ein hohes Maß an Vertrauen und Geduld entgegengebracht. Spät erst wurde den Eingelullten bewusst, dass den beruhigend funkelnden Worten einfach keine erfolgreichen Taten folgen wollten.

Irgendwann im April jenes Jahres kurz vor dem Saisonschluss waren Geduld und Vertrauen dann aber doch aufgebraucht, und der Mann wurde abgelöst. Aber ach, da war es leider schon zu spät; dem Nachfolger lief die Zeit weg, um das Ruder noch einmal herumzureißen. Und am bitteren Ende sagten dann alle unisono: Ach, hätten wir diesem Mann doch bloß nicht so viel Vertrauen und Geduld geschenkt; hätten wir ihn doch nur ein paar Wochen oder Monate früher abgelöst. Dann hätten der Abstieg und die bald folgende Insolvenz wahrscheinlich vermieden werden können.

Sorry, aber ich kann einfach nichts dagegen machen, dass diese traurige alte Geschichte von enttäuschtem Vertrauen und übermäßiger Geduld in diesen Tagen beim Blick aufs Spielfeld und auf die aktuelle Tabelle immer wieder in mir hochkocht...
Bin glücklicherweise schon lang genug dabei, um zu wissen, dass Ratschläge, in welcher Form auch immer, völlig nutzlos wären. Die Meinungsbilder von Fußballkennern werden erfahrungsgemäß über Jahrzehnte hinweg in unermüdlicher Kleinarbeit solange rundgelutscht, bis, zumindest rückblickend, einfach alles ganz einfach erklärbar scheint.

„Weil einfach einfach einfach ist.“ – Werbespruch

Alternativ zu Friedhelm Funkel hätten Sie sich dem Gedanken zuwenden können, warum Spieler, die durch keinerlei Abstiegsklausel im Vertrag gebunden waren, sich über einen längeren Zeitraum in den roten Bereich begeben sollten, obwohl die große Freiheit längst am Horizont aufgetaucht war? Insoweit liefern Sie ein Musterbeispiel dafür, dass sich einerseits an einer einzelnen Person jede beliebige Spekulation anbringen lässt, andererseits ein naheliegend erscheinender Zusammenhang mit zeitgleich gegebenen Spielerinteressen bevorzugt nicht erwähnt wird, weil er das System insgesamt hinterfragt. Diese von mir unterstellte »Eigendynamik« ist – in vielfältiger Ausprägung – m.E. der kritischste Punkt im bezahlten Fußball überhaupt.

Ihre Selbstzweifel, im Fall Funkel zu lange vertraut zu haben, halte ich darüberhinaus für nicht zutreffend. Wenn Feuerwehrleute wie Friedhelm Funkel auftauchen, kann von Vertrauen längst keine Rede mehr sein. Es ist bloßes Eingeständnis von Hilflosigkeit und spätestens wenn solche Feuerwehrleute auch noch gegen weitere Hoffnungsträger ausgetauscht werden sollen, entlarven sich die Entscheidungsträger und ihre Methoden ohnehin endgültig von alleine.

Haftreibung ist größer als Gleitreibung
Was auf einer schiefen Ebene einmal ins Rutschen kommt, ist bekanntermaßen nur noch schwerlich zu bremsen. Gilt vermutlich auch für Fußballvereine. Entsprechend wichtig wäre es, sich endlich tatsächlich wirksamer Einflussfaktoren zu besinnen, anstatt sich weiter der ewig gleichen Würfeltechnik zu bedienen. Aber in den Bereich »Ratschläge sind auch Schläge« woll(t)en wir selbst aus gutem Grund nicht abrutschen.

PS:
„Man sollte niemals zu einem Arzt gehen, ohne zu wissen, was dessen Lieblingsdiagnose ist.“ – Henry Fielding
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„Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“
Joachim Ringelnatz

Geändert von Franz Wirtz (20.10.2021 um 18:00 Uhr) Grund: Ergänzung …