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Alt 08.01.2020, 17:17
Franz Wirtz Franz Wirtz ist offline
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Ausrufezeichen Man wächst mit seinen Aufgaben ...

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Zitat von tivolino Beitrag anzeigen
Das sehe ich teilweise genau umgekehrt: Drei, vier, höchstens fünf über die gesamte Hinrunde verteilte Spiele, in denen unsere Mannschaft aus schwer erklärlichen Gründen weit unter ihren Möglichkeiten geblieben ist, übertünchen, dass Kilic eigentlich einen gut und ausgewogen besetzten Kader zusammengestellt hat, der vom Grundpotenzial her um den Aufstieg mitspielen könnte. Wir waren und sind da auf dem richtigen Weg.

Ich sage das, weil die Mannschaft in allen Saisonphasen gegen Gegner aus allen Tabellenregionen immer wieder ja auch sehr ordentliche Spiele abgliefert und souveräne Siege eingefahren hat - gegen Haltern und Bergisch-Gladbach genau so wie gegen Lotte und M******gladbach oder in Dortmund und (sehr glücklich, aber nicht unverdient) gegen Rödinghausen.

Der von Kilic zusammengestellte Kader ist also durchaus zu gebrauchen, ebenso die von Kilic trainierte Mannschaft. Das ist ja kein wilder Hühnerhaufen, sondern eine Truppe mit gutem Teamgeist, die eine Spielidee, ein Konzept hat und die meistens diszipliniert, lernwillig und kampfstark zu Sache geht. Trotzdem ist Fußball natürlich ein Ergebnissport, und durch schlechte Ergebnisse und schlechte Leistungen in einigen wenigen Spielen haben sich Mannschaft und Trainer in der Liga leider jetzt schon um den Lohn der gesamten Arbeit gebracht.

Man muss ja nur kurz rechnen: z. B. Heimsiege gegen Düsseldorf, Homberg, Wuppertal und Schalke - und schon stünden wir mit zehn Punkten mehr jetzt in der Spitzengruppe und könnten zur großen Aufholjagd blasen. Der Zuschauerschnitt und die Stimmung wären ganz anders, und niemand würde auf die Idee kommen, alles, was Kilic tut und sagt, grundsätzlich in Frage zu stellen. Der ganze Frust hier inklusive der altbekannten der Sündenbock-Masche ist also letztlich bloß auf vier gründlich misslungene Spiele zurückzuführen.

Aber diese Spiele hat's nun mal gegeben, und es stellt sich die klassische Frage: Woran hat's gelegen? Meiner Meinung nach nicht an der mangelnden Grundqualität des Kaders und auch nicht am mangelnden Fußballfachwissen des Trainers. Die Niederlagen sind ja nicht auf falsches Spielkonzept, falsche Taktik, falsche Aufstellung oder falsche Auswechslungen zurückzuführen - sondern darauf, dass man das, was man sich vorgenommen hatte, an diesen Tagen und gegen diese Gegner auf dem Platz nicht umsetzen konnte, weil die Mannschaft insgesamt nicht 90 oder 100, sondern eben nur 60 oder 70 Prozent ihres Leistungsvermögens abgerufen hat.

Es wurde ja schon oft geschrieben, dass "mangelnde Konstanz" unser größtes Problem sei. Die Ursache für diese mangelnde Konstanz ist aber nicht beim Kaderplaner und auch nicht im spieltaktischen Bereich zu suchen, sondern meiner Meinung nach eindeutig auf der mentalen/psychologischen Ebene. Genau hierin liegt vermutlich Kilics große Schwäche: Er ist ein guter Kaderplaner und als Trainer ein absoluter Fußballfachmann. Aber er ist allem Anschein nach leider kein wirklich guter Psychologe.

Das Heimspiel gegen Wuppertal war dafür das beste Beispiel und ein gefundenes Fressen für jeden Hobby-Psycho. Da ist kein Alemannia-Team auf den Platz gegangen, das gesagt hätte: Mit denen haben wir noch eine Rechnung offen, wir sind besser, wir gehen jetzt da raus und hauen die weg. Nein, in den Hinterköpfen scheint in diesem und anderen Spielen, wo man selber Favorit und der Erwartungsdruck hoch, eine tiefgreifende Verunsicherung, eine Versagensangst, ein Mangel an Selbstsicherheit, Siegermentalität und gesundem Selbstbewusstsein zu stecken. Und wenn man dann wie gegen WSV auf dem Platz mal wieder in Rückstand gerät, obwohl man eigentlich besser ist, kommen halt sofort Erinnerungen hoch, die noch mehr am Selbstvertrauen nagen. ...

Dass Kilic es nicht geschafft hat, dem Team eine gewisse mentale Stärke einzuimpfen, ist inzwischen ein so gravierendes und tiefschürfendes Problem, dass es aus meiner Sicht rechtfertigt und notwendig ist, im Sommer einen neuen Trainer zu holen, der die Köpfe hoffentlich freier und stärker macht. Nicht, dass ich ihn hier sehen wollte - aber ein Wollitz ist da einfach besser, ein Terranova und ein Toku auch.

Bei den nun anstehenden Personalentscheidungen ist die Trainerfrage die wichtigste. Für vieles andere und insbesondere bei der Kladerplanung hat Kilic gute Grundlagen gelegt, auf denen sich aufbauen lässt. Die Mannschaft kann sicher zwei, drei Verstärkungen gebrauchen (hoffentlich reicht das Geld), sie muss aber nicht wieder total umgekrempelt werden. Wir brauchen keinen totalen Neuanfang, aber es muss gezielt an wenigen wichtigen Stellschrauben gedreht werden.

Es ist jedenfalls naiv zu glauben, dass automatisch alles besser wird, wenn Kilic erst mal weg ist. Theoretisch ist es ja auch denkbar, dass wir trotz Peter Hermann, trotz neuem SD, trotz neuem Trainer und trotz neuer Spieler nächstes Jahr genauso mittelmäßig oder gar schlechter dastehen als jetzt. Ich hoffe nicht, dass es so kommt, wäre aber mal gespannt, wie die Kilic-Gegner, die in ihm jetzt noch die Wurzel allen Übels sehen, dann wohl reagieren. ...
Die erste nennenswerte Herausforderung der neuen Mitarbeiter besteht in der Formulierung der sportlichen Zielsetzung.

Die daraus resultierende Herausforderung aller Beteiligten mündet in der Akzeptanz genau derselben, immerhin eine dauerhafte Pflichtaufgabe. Es wäre bereits ein elementarer Fortschritt würden sich zukünftig endlich alle, hinsichtlich des Saisonziels, einvernehmlich und dauerhaft an offiziell verkündete Vorgaben gebunden fühlen.
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„Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“
Joachim Ringelnatz
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