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Alt 19.06.2019, 15:44
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Zitat von Flutlicht Beitrag anzeigen
Man muss sich sowieso mal vor Augen führen, dass es nicht unbedingt jedermanns Lebenstraum ist, in der Regionalliga als Vollprofi zu spielen.
Das denke ich ganz oft, wenn hier bemängelt wird, dass man Spieler aus der Region / eigene Jugend / Eilendorf oder so vernachlässigen, nicht sichten oder vergraulen würde.

Man kann ja von Kilic halten was man will, aber es haben so viele A-Jugendliche immer wieder mal am Training teilgenommen oder im Kader gestanden und er kann es doch gut genug mit Mollocher, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass talentierte und fähige A-Jugendspieler einfach so vom Hof gelassen werden.

Egal ob ein Mit-Zwanziger Mittelrheinliga-Spieler oder ein 19-jähriger A-Jugendspieler, der bei der Alemannia und nicht im Nachwuchszentrum eines Bundesligaclubs ist:
In beiden Fällen ist die Wahrscheinlichkeit einer großen, einkommensreichen Profikarriere überschaubar. Und da stehen einige vor der Entscheidung: Soll ich wirklich meinen sicheren Job oder einen Ausbildungsstart hinten anstellen, um in der Regionalliga für 1.500 € im Monat als Vollprofi zu kicken? (Es wurde ja mal ein Durchschnittgehalt bekanntgegeben und da wir hier ja nicht von den Spitzenverdienern des Kaders reden, habe ich die Zahl jetzt einfach mal rausgehauen.)

Ich habe einen Kollegen, der viele Jahre Mittelrheinliga bzw. Oberliga gespielt hat und viele Spieler aus den Ligen kennt. Mit dem habe ich vor einigen Jahren, als Alemannia erstmals gaaanz kleine Brötchen backen musste, und sich idealerweise mal in der Region umsehen sollte über mögliche Kandidaten für die Regionalliga spekuliert. Der erzählte mir dann, dass die Alemannnia in der Tat bei einem angeklopft hat. Da wird dann einem Mit-Zwanziger, der im Berufsleben 3.500 im Monat verdient plus ein paar hundert Euro Fußballgehalt gefragt, ob er das nicht alles aufgibt, um für ein paar Jahre für ein Drittel Vollprofi in der Regionalliga zu sein. Da sind viele Gespräche schnell beendet.

Das Gleiche sollte man bedenken, wenn man spekuliert, warum ein talentierter 19-jähriger nach Rostock oder sonst wo geht und unterklassig spielt. Vielleicht ist es einfach nicht oberste Priorität, Lehre oder Studium zu vergessen und eine mehr oder weniger überschaubare RL-Karriere zu starten.

Aus all diesen Gründen macht diese Hobby-Sportdirektor-Tätigkeit mit dem Aufzählen von Spielern ("Warum nicht der???") und mit Vorwürfen an die Alemannia-Verantwortlichen überhaupt keinen Sinn.

Die Entscheidungen eines Redjeb, der Schritt zurück eines Kleefisch (und es gab ja auch bei uns einen Jochen Schumacher oder Jonas Ermes, die die Karriere zugunsten des Berufs an den Nagel hängten, und auch Dowidat hat im besten Alter berufsbedingt vor ein paar Monaten einen Schritt zurück gemacht) kommen ja nicht von ungefähr und sind nachvollziehbar.

Ohne despektierlich zu klingen:
Man muss ja auch ein Typ dafür sein und viel Optimismus haben, mit Mitte 20 noch alles auf die Karte Fußball zu setzen, obwohl es "nur" für einen Kaderplatz bei einem Regionalligisten reicht. Und da ist es auch nachvollziehbar, dass sich viele Spieler eher dadurch rekrutieren lassen, dass sie von einem Berater angepriesen werden (oft Spieler, die viel rumtingeln). Unzählige Spieler, die das Zeug für die Alemannia hätten, verfolgen aber eben diesen Lebensplan nicht.

Daneben gibt es natürlich noch Fälle wie Heinze oder Pütz, die ihr Studium ein wenig hinten anstellen, oder Hackenberg, der nebenbei in anderen Branchen tätig ist.
Aber nicht jeder unterklassige oder Jugendspieler aus der Region schreit unbedingt "Hurra", wenn Kilic anfragt. Das sollte man bei den Personaldiskussionen immer im Auge behalten: Regionalliga heißt zumindest bei uns: Wenig Geld, aber Vollzeit-Job.
Das ist tatsächlich ein Aspekt, den man nicht unterschätzen sollte. Ich kenne von früher noch einige Leute, die in verschiedensten Auswahlmannschaften gespielt haben und denen größeres Talent nachgesagt wurde als dem ein oder anderen, der es in den Profifußball geschafft hat. Viele von denen haben aber lieber unterklassig ohne großen Aufwand ein sehr ordentliches Taschengeld mitgenommen, statt „sichere“ Berufspläne gegen die kleine Chance zu tauschen, als Profi hoffentlich viel Geld zu verdienen.

Ich frage mich aber, ob das nicht auch eine Chance sein kann, wenn man das Thema entsprechend angeht. Dazu könnte z.B. gehören, statt „normalen“ Sponsoren vermehrt auch solche anzusprechen, die Spielern berufliche Perspektiven bieten können. Das kann den einen oder anderen vielleicht bewegen, nicht zu dem Verein zu gehen, der zwar ein wenig mehr zahlt, bei dem du aber nach der Karriere ohne Plan da stehst. Dafür müsste dann aber auch Rücksicht bei Trainingszeiten etc. genommen werden. Außerdem könnte man auch versuchen, eine Kooperation mit der RWTH einzugehen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben die Ladies in Black doch auch einige Spielerinnen darüber bekommen, dass die in Aachen parallel studieren konnten. Gerade weil mit Sicherheit viele talentierte Spieler unterwegs sind, die für die Fußballkarriere nicht von vorne herein voll ins Risiko gehen wollen, erschließt man sich mit dem Ansatz vielleicht einen Spielerpool, bei dem man ein gewisses Alleinstellungsmerkmal hat.
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