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Alt 03.08.2012, 00:09
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LaPalma LaPalma ist offline
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Ergänzung der Rittergeschichte

Zitat:
Zitat von Blackthorne Beitrag anzeigen
Es war einmal ein Aufsichtsratsvorsitzender einer Fußball-GmbH, der im Gremienland inmitten seiner uneigennützigen Gremienmitglieder so glücklich und zufrieden lebte wie weiland König Artus mit seinen Rittern der Tafelrunde.

Da geschah das Unfassbare: Ritter Horst (nomen est omen - mit den Rittern Horst gab es schon öfters Ärger) war nicht immer der gleichen Meinung wie sein Vorsitzender. Das erzürnte den Vorsitzenden derart, dass er darüber nachdachte, wie er ihn wohl loswerden könne.

Ritter Horst war zwar der von den Mitgliedern in das Aufsichtsgremium gewählte Mitglied, aber was soll's.

Seine Berater zeigten ihm den Weg auf. Zum Glück hat die Vereinssatzung für diesen Fall eine Lösung vorgesehen. Der Verwaltungsrat mit Ritter Manfred an der Spitze kann unliebsame Aufsichtsratsmitglieder abberufen.

Also schrieb der Aufsichtsratsvorsitzende einen Brief an den Verwaltungsrat und listete dort die gravierenden Versäumnisse und Verfehlungen des Ritters Horst auf und dokumentierte einen Vertrauensbruch. Er dachte, damit sei die unliebsame Sache erledigt und wollte fortan wieder glücklich und zufrieden inmitten seiner uneigennützigen Gremienmitglieder leben.

Doch was geschah? Ritter Manfred, der Vorsitzende des Verwaltungsrats, sah sich außerstande, eine Entscheidung zu treffen, da ihm Informationen und Belege fehlen würden.

Der Aufsichtsratsvorsitzende sann nach einem Ausweg aus dieser unglücklichen Lage. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen aus den Haaren: Es gab doch noch ein weiteres Gremium, nämlich das Präsidium, und, welch Glück: Zufälligerweise war der Aufsichtsratsvorsitzende auch noch Präsident und damit der Vorsitzende des Präsidiums.

Flugs wurde ein Gutachten in Auftrag gegeben, ob man denn auf Ritter Manfred und seine Mannen verzichten könne. Man mag es kaum glauben, aber schon wieder war dem Aufsichtsratsvorsitzenden das Glück hold. Der völlig neutrale und unbeeinflussbare Gutachter bescheinigte, dass Ritter Manfred nicht gebraucht werde.

Ritter Horst, der anstatt zu arbeiten irgendwo faul in der Sonne lag, war damit Geschichte und der Aufsichtsratsvorsitzende lebte wieder glücklich und zufrieden mit seinen uneigennützigen Gremienmitgliedern im Gremienland.

Und außer den Rittern gab es noch die Knappen und die Burgfrolleins.
Das waren an Anzahl viel, viel mehr als die Ritter, aber sie hatten nichts zu sagen.
Nichts zu sagen - da hätten die Ritter vehement widersprochen: oh ja, die Knappen und die Burgfrolleins, die waren ja das Volk und von denen ging alle Macht aus (diesen Spruch haben die Ritter bis in die heutige Zeit gerettet). Aber egal, was die Knappen und die Burgfrolleins auch machten, die Ritter machten, was sie wollten.
Den allermeisten Knappen und Burgfrolleins machte das aber nichts, sie wollten Freude und Vergnügen haben, und was die Ritter machten, war ihnen gleichgültig, solange sie unterhalten wurden.
Aber einige wenige der Knappen und Burgfrolleins, die fanden das nicht so gleichgültig, was die Ritter machten. Und statt das Vergnügen zu genießen, haben sie sich organisiert.
Dabei haben sie dann gar nicht gemerkt, dass sie genauso wurden wie die Ritter (nur eben in der damaligen Hierarchie tiefer angesiedelt): sie genossen ihr Ego, haben intrigiert und sich sich und ihre Bedeutung mehrfach überschätzt. Aber sie hatten - genau wie die Ritter - das Gefühl, wichtig und bedeutend zu sein.
Dass sie ihr Ego auf einem Nebenkriegsschauplatz austoben durften, haben sie dabei nicht gemerkt. Nach Ansicht mancher Historiker dienten sie in ihrem Verhalten sogar als Vorlage für die sehr viel später entstande Geschichte über Don Quichote und seinen (vergeblichen) Kampf gegen die Windmühlenflügel.
Egal und wie auch immer: es entstanden zwei Lager, auf der einen Seite die Ritter, die machten, was sie wollten, und auf der anderen Seite die wackeren organisierten Knappen und Burgfrolleins, die die Ritter vehement mit Wattebäuschlein beschmissen. Eine Lösung der Probleme hatten sie nämlich auch nicht parat, und um Verantwortung im Kreise der Ritter zu übernehmen, fehlte ihnen - sagen wir es mal so - die Zugehörigkeit zum Stand.
Aber - so wird der aufmerksame Beobachter der damaligen Verhältnisse einwerfen - es gab ja auch noch eine zahlenmäßig nicht unbedeutende Gruppierung, die sich in Anlehnung an längst vergangene römische Kultur in einem "Forum" zusammengefunden hatte. Zusammen-gefunden? Bei genauerer historischer Betrachtung kann wohl von "zusammen" kaum die Rede sein.
Da tummelte sich allerlei Volk: vom - so will es scheinen - Kindergarteninsassen bis hin zum akademischen Herrn Doktor, vom Juristen bis hin zur wackeren Hausfrau, vom Provokateur bis hin zum selbstgefälligen Schwätzer - alles dabei. Der (oder die) eine kochte ihr eigenes Süppchen, hatte virulente Eigeninteressen, andere waren grundsätzlich gegen alles und jeden.
Und selten waren sie sich einig: aber wenn es galt, eine frische Sau durchs Dorf zu treiben, bliesen sie (fast) alle ins selbe Horn: auf ihn, macht ihn nieder. Warum? - egal.
Und auch das Kindergartenkind wusste es sicher zu beurteilen: dieser Akademiker in dieser Gesellschaft - der kann nix, der is doof.
Und gegenüber Erfahreneren und Besonneren galt die Devise: lasse mir meine Vorurteile, verwirre mich nicht mit Tatsachen.
Und so plätscherte das Forum auf mehr oder weniger hohem Niveau vor sich hin, und die Teilnehmer hatten das Gefühl, wichtig zu sein.
Ab und zu schaute mal ein Ritter hinein, las, was die Knappen und Burgfrolleins und auch die organisierten Pseudo-Ritter so von sich gaben, schmunzelte und ging zur Tagesordung über.
Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute...
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Gruß von der isla bonita!
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