Einzelnen Beitrag anzeigen
  #4032  
Alt 29.06.2017, 23:30
Franz Wirtz Franz Wirtz ist offline
Veteran
 
Registriert seit: 30.08.2016
Beiträge: 1.606
Abgegebene Danke: 1.858
Erhielt 820 Danke für 415 Beiträge
Ausrufezeichen Maximaler Schaden bei minimaler Schuldzuweisung ...

Zitat:
Zitat von Blackthorne Beitrag anzeigen
Nach dem Urteil kann man keinem mehr raten, bei der Alemannia Aachen GmbH das Amt des Geschäftsführers anzunehmen. In einer GmbH, die sich permanent an der Kante zur Insolvenz bewegt, ist der Geschäftsführer doch die arme Sau, an der später alles hängenbleibt, weil es keinerlei schriftliche Aufzeichnungen über irgendwelche Anweisungen derjenigen, die wirklich das Sagen hatten, gab.

Formal ist ein GmbH-Geschäftsführer weisungsabhängig, allerdings bedarf eine solche immer eines Aufsichtsratsbeschlusses. Dass in der Praxis der Vorsitzende des Aufsichtsrates oder auch andere starke Leute dem GF sagen, was zu machen ist, geht dabei völlig unter.

Ich weiß, manche lernen's nie und andere wollen es einfach nicht wahrhaben, aber genau darum ging es schließlich bereits seit der Auslagerung. Die gesamte Konstruktion zielt darauf ab, möglichst undurchsichtig agieren zu können und nötigenfalls jede Form von Verantwortung von sich weisen zu können.

Trotz meiner niedrigen Erwartungshaltung empfinde ich das Resümee des Staatsanwaltes als skandalös:

Aachener Nachrichten - Donnerstag, 29. Juni 2017 - Seite 10 - Region & NRW
ALEMANNIA-PROZESS
Geschichten, die nie mehr erzählt werden
Auszug: Heute, fast fünf Jahre später, ist der Fall vollständig aufgeklärt. So sieht es Seppi, und so sieht es auch Richter Quarch. Seppi stellte heraus, dass er während seiner Ermittlungen durchaus nicht übersehen habe, wie viele Beteiligte bei der Alemannia mitgemischt hätten, Institutionen wie Personen. „Die Lage war undurchsichtig“, sagte Seppi. Doch es fehlten Belege, Hinweise und Zeugenaussagen, die auf weitere Straftaten, auf weitere Verdächtige hätten schließen lassen.

Seppi attestierte in seinem Plädoyer der Stadt Aachen, die mit der Übernahme eines Teils der aus dem Stadionbau resultierenden Schulden der Alemannia übernommen und durch die spätere erste Insolvenz damit etwa 23 Millionen Euro Verlust gemacht hatte, sich korrekt verhalten zu haben. Kraemers Anwälte hatten am ersten Prozesstag der Stadt noch vorgeworfen, sich nicht ausreichend über die finanzielle Lage des Vereins informiert zu haben, bevor sie die Schulden übernommen hatten. Auch dieser Vorwurf ist nun vom Tisch. (...)

Der Staatsanwalt sieht den Fall als vollständig geklärt an, obwohl er niemanden der beteiligten Führungsriege vorzeigen kann? Wer - „um Himmels Willen“ - kommt auf die Idee, nur weil Kraemers Anwälte im Rahmen des Deals darauf verzichteten, zu behaupten, „die Stadt habe sich nicht ausreichend über die finanzielle Lage ausreichend informiert“, damit sei dieser Vorwurf vom Tisch? Fast fünf Jahre Ermittlungsarbeit für so ein Ergebnis? Was ist mit den schriftlichen Protokollen aller stattgefunden Sitzungen? Wurde immer nur das Wetter protokolliert?

Für den Fall, dass ein Geschäftsführer tatsächlich über so einen langen Zeitraum „an der ganz langen Leine“ vorgeführt werden soll, ist dieser trotzdem in der Lage, durch eigens erstellte Protokolle alle wesentlichen Entscheidungen und deren Zustandekommen chronologisch zu dokumentieren. Tut er das nicht, stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem warum?

Mahnende Worte, was die Zukunft angeht, gab es anscheinend für niemanden? Erdreistete sich zu früheren Zeiten ein Autofahrer zu behaupten, „er wäre“, angesichts einer im zu Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung, „gar nicht gefahren“, brummte man ihm ein Fahrtenbuch auf. Angesichts des enormen Schadens und der relativ geringen Strafe für einen Einzelnen liest sich das Ganze entsprechend wie eine Gebrauchsanweisung, wie man bestmöglich an die ganz große Kohle kommt. - Bekanntlich gilt: „Nach dem Skandal ist vor dem Skandal“.


PS:
Immer nur „die anderen ...“
Aachener Nachrichten - Donnerstag, 29. Juni 2017 - Seite 2 - KOMMENTARE
Viele tragen Schuld
Das Kraemer-Urteil und der tiefe Fall der Alemannia

CHRISTOPH PAULI
Auszug: Ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man sich an einem Verein mit besten Absichten versündigen kann. Kraemer ist verurteilt worden, aber Schuld am Untergang der Alemannia – vermutlich für viele Jahrzehnte – tragen viele.

Mehr als einmal musste ich mir in diesem Forum die Frage gefallen lassen, warum ausgerechnet ich mich fortwährend für diesen Klub interessiere? Mein „Motor“ waren eindeutig die Veröffentlichungen der Lokalpresse, vor allem in der Zeit vor dem Stadionbau. Die Art und Weise, in der die Beteiligten (Verein - Rathaus - Presse) sich gegenseitig „zuarbeiteten“, war einfach faszinierend. Umso schwerer, - so mein Eindruck, - fällt es allen, irgendeine sinnvolle Lehre aus der Katastrophe zu ziehen, aber ich lasse mich gerne eines Besseren belehren.
.
__________________
„Sicher ist, dass nichts sicher ist. Selbst das nicht.“
Joachim Ringelnatz
Mit Zitat antworten