Thema: Fanszene
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Alt 11.11.2014, 18:58
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Aix Trawurst Aix Trawurst ist offline
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Zitat von tivolino Beitrag anzeigen
Genau das ist doch der Punkt, den der von dir zitierte (und kritisierte) Herr Gabriel meiner Meinung nach im Kern richtig darstellt: "Verein, Polizei und die Mehrzahl der Fans haben bei der Zuspitzung des Konflikt zu lange zugeschaut." Wobei ich es gut finde, dass er ausdrücklich auch die Polizei erwähnt, die ihre Hände zuletzt ja in Unschuld gewaschen und alles auf den Verein und Mronz abgeschoben hat.
Ich selber zähle mich durchaus auch selber selbstkritisch zu den Fans, die seinerzeit zugeschaut haben. Natürlich habe ich von dem KBU-Supporters-ACU-Konflikt was mitbekommen und gemerkt, dass es da einen Rechts-Links-Konflikt gibt. Aber es hat mich wie so viele andere auch eben nicht großartig interessiert, und ich habe mir auch nicht träumen lassen, dass daraus mal eine nachhaltige bundesweite Negativgeschichte für die Alemannia erwachsen würde. Für mich und die große Mehrzahl der Fans (nicht alle!) waren das einfach nur zwei spinnerte kleine Randgruppen, die sich untereinander bekriegten, mich aber in Ruhe Fußball gucken ließen und die im damals noch volleren Stadion meistens auch nicht groß auffielen.
Lange vor der KBU haben ich und viele andere auch die U-Bahn-Lieder und die Hitlergrüße im alten S-Block gehört und gesehen. Da hat man sich halt kurz ein bisschen über die paar Nazi-Chaoten geärgert und sich dann wieder dem Spiel gewidmet. Dass später auf dem neuen Tivoli nicht wenige Typen in unzweideutigen rechten Klamotten und mit unzweideutigen rechten Parolen auf den Shirts rumliefen, war ebenfalls nicht zu übersehen, doch man hat's halt hingenommen.
Spätestens als die ACU Mitte 2011 in den S6 umgezogen bzw. geflüchtet ist, war allerdings nicht mehr zu übersehen, dass da richtig was am Kochen ist. Der spätere S6-Blocksturm war ein schlimmer Höhepunkt, aber nicht der Anfang und auch nicht das Ende des Konflikts, bei dem in der Tat sehr viele Leute zu lange zugeschaut haben. Mehr hat der Herr Gabriel nicht behauptet.
Auch das was Du schreibst ist noch zu weit simplifiziert, weil ein ganz entscheidender Punkt dabei fehlt.

Aber vorab: Ich wage zu behaupten, dass Alemannia nicht mehr Probleme mit Rechtsradikalen hat als "jeder andere Fußballverein auch" und dass in der Frage Rechtsextremistische Umtriebe bei der Alemannia letzlich im Grunde auch kein bischen mehr weg- oder hingeschaut wurde als "überall anderswo auch".

Das was hier aber anders und sehr speziell ist ist die breite Ablehnung gegenüber allen Ultras - unabhängig ob rechts oder links oder liberal oder atheistisch oder sonstwas.

Und das kommt daher, dass die Ultras sich über all die Jahre selber so vehement ins abseits manövriert haben.

Das was in Deiner Darstellung fehlt und was auch in sämtlichen Mediendarstellungen fehlt und was ich auch in noch keiner einzigen Expertendarstelung finden konnte, ist einfach der in Aachen über Jahre hinweg eskalierte und mit dem Umztug ins neue Stadion nochmal zugespitze Konflikt um die Stimmungshoheit zwischen Ultras und "Normalos" und später auch zwischen den gespaltenen Ultragruppen.

Viel mehr als um das simple "Rechts gegen Links" ging es doch um den zugespitzten Konflikt "Snaredrums und Sambagedudel versus Spielbezogener klassischer Support".
Die KBU hat sich in dem Aspekt immerhin teilweise auf die Normalen Fans zubewegt, weil die ACU vor der Spaltung sich so sehr ins Abseits manövriert hatte, dass sie zeitweise recht Konsequent ausgepfiffen und Niedergesungen wurden.

Dass die Ultras bei Alemannia Aachen ihr totalitäres und intolerantes Ding des Aufwzingens der eigenen Stimmungsideale und Dauergesänge auf die breite Masse der Fans nicht erfolgreich durchziehen konnten wie fast überall sonstwo im deutschen Fußball, das macht Alemannia so speziell.

Und genau das macht auch einen ganz wichtigen Kernaspekt in der Fanproblematik aus.

Bei Alemannia waren und sind die "Normalos" halt anders als bei anderen Vereinen meist froh, dass die ACU mit ihrem lästigen und rundum assozialen Gehabe wenigstens eine Ultragruppe fort ist. Und man wünscht sie die Schwimmbadkackende KBU ganz genau so aus dem Stadion raus!

Und wenn nun neue Ultragruppen nachrücken und sich breit machen mit Megafon und Sambatrommelei und lästigem Dauergedudel, dann werden die auch Niedergesungen werden und dann wünscht "man" die sich halt ebenso fort.

Ultras waren und werden bei Alemannia immer eine Randerscheinung sein und bleiben!

Und anders als bei nahezu allen anderen Vereinen sonst üblich, wird den Ultras hier auch selbst kaum mehr die Illusion lebendig gelassen, sich als Mittelpunkt der Fanszene und Stadionstimmung zu verstehen.

Das Fanproblem auf das simplifiziert pauschalisierte "Rechts gegen Links" herunter zu filetieren das wird der Lage bei der Alemannia einfach nicht gerecht, auch wenn ein paar Antifa-Aktivisten aus Reihen der ACU das sehr medienwirksam und ausnahmslos genau so darstellen, als wäre nur der Rechtsextremismus alleine der einzige Hintergrund der Gewaltausbrüche.

Was in Wahrheit hier mindestens ebenso intensiv abgelaufen ist, wenn nicht sogar um einen erheblichen Faktor intensiver als der "Krieg" zwischen Rechten Unterwanderern gegen Linke Unterwanderer von Ultragruppen, ist wie gesagt doch der Kernkonflikt um die Frage, wer bei Alemannia die Stimmungshoheit für sich beanspruchen kann.
Und da ging und geht es nunmal keinesfalls ausschließlich um Ultras gegen Ultras, sondern mindestens ebenso intensiv um Ultras gegen Althools und (wenn auch nicht mit Gewaltexessen, aber dennoch mindestens so verhärtet in den Fronten) um Ultras gegen die breite Masse friedliebender friedfertiger "Normalos".

Dass bei Alemannia mehr weggeschaut wird und wurde als sonstwo im Fußball, so wie ja die so weit verbreiteten Vorwürfe üblicherweise lauten, genau das erscheint mir bei genauerer Betrachtung letzlich ein ziemliches unhaltbares Märchen zu sein (Eben weil das was hier bis zu den bekannte Gewaltexessen hochgekocht ist nunmal nicht einfach nur ein simpler Rechts gegen Links Konflikt war und ist - oder zunehmend wurde). Was selbstverständlich keineswegs heißen soll, dass kein Fehler gemacht wurden oder dass Alemannia in einigen Punkten nicht mehr tun kann und muss.
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Spielt am Sonntag unser Fußballklub...

Geändert von Aix Trawurst (11.11.2014 um 19:34 Uhr)
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